Mutter.

Jeder Mensch hat eine Mutter. Ganz blöd gesagt: aus der kommen wir raus, jeder hat also schon ein kleines Abenteuer mit seiner Mutter hinter sich. Man sagt, dass Kinder zu gebären ein Wunder ist. Leben in sich zu spüren, dass nicht man selbst ist, aber aus einem selbst kommt. Bedingungslose Liebe und Verbundenheit bekommen in diesem Zusammenhang eine ganz neue Bedeutung. Ich kann das nur bedingt nachvollziehen, ich habe ja noch nie ein Kind bekommen. Ich kenne nur die andere Seite. Das Kind von einer Mutter zu sein.  Als Jugendliche habe ich mich oft gefragt, ob meine Eltern vergessen haben, wie es ist ein junger Teenager zu sein. Ob sie vergessen haben, wie es ist verliebt zu sein, ausgehen zu wollen, sich auszuprobieren, sich selbst zu finden. Und wie passt Zimmer aufräumen da dazwischen?

Jetzt, da ich älter bin, muss ich über mich selbst ein wenig schmunzeln. Die Zahl hat sich ein wenig verändert. Statt einer eins, steht jetzt eine zwei vorne dran, ich verdiene sogar mein eigenes Geld. Wenn ich will, kann ich auch Cola zum Abendessen trinken und sogar währenddessen ein Buch lesen! Am Esstisch meiner Mutter undenkbar. Trotz allem fühle ich mich nicht sonderlich „erwachsen“. Ja, ich weiß inzwischen wie man Kartoffeln kocht, eine Steuererklärung macht und meine Wäsche wird immer sauber (manchmal auch rosa, verdammt, man muss ja Farben trennen!). Aber wie geht das mit diesem Leben eigentlich? Wie gehe ich mit Herzschmerz um? Was sage ich einem Kollegen der mich nervt? Woher weiß ich, was ich machen will? Und wieso bin ich immer davon ausgegangen, dass meine Eltern das alles schon rausgefunden haben?

Ich habe das Glück, dass ich meine Mutter anrufen und sie solche Dinge fragen kann. Das Glück, dass wir uns so gut verstehen und uns trotz vielen vielen Reibungen immer noch sehr mögen. Dass wir übereinander lachen können, zusammen Backgammon spielen, in den Urlaub fahren, auf dem Balkon eine rauchen, an den See fahren, auf Konzerte gehen, uns austauschen. Lange dachte ich, das wäre ganz normal. Mittlerweile weiß ich, dass das alles andere als selbstverständlich ist. „Eltern“ kommt ursprünglich vom altern, also älter werden. Eltern oder Erwachsene sind also auch nur Menschen die eben ein wenig älter sind als ich. Wieso haben wir oft so hohe Erwartungen an unsere Eltern? Wieso denken wir, obwohl wir inzwischen selbst für uns verantwortlich sind, dass uns unsere Eltern irgendwann noch mal für alles aufkommen müssen, was vielleicht früher schief gelaufen ist? Wir predigen so oft, dass niemand perfekt ist, man vergeben muss und, dass man sich ja mal locker machen kann. Gilt das denn nicht auch für die eigene Mutter? Den eigenen Vater? Je näher uns Leute sind, desto schwerer fällt es, objektiv auf Dinge drauf zu schauen. Ich nehme mich da selbst überhaupt nicht aus! Meine Mutter kann ein Lied davon singen (bitte Mama, lieber nicht 🙂 ).

Deine Eltern lieben dich. Egal was schon alles passiert ist, wie wenig man miteinander redet oder ob man sich gestritten hat. Sie lieben dich. Weil sie müssen. Weil sie gar nicht anders können. Klingt unromantisch, ist aber so. Ich glaube nach so einer Geburt würde ich den kleinen Wurm auch sehr lieben, egal was er mal so fabriziert. Wie diese Liebe aussieht und warum sie manchmal nicht als solche erkennbar ist, ist noch mal eine ganz andere Geschichte. Aber warum machen wir Kinder nicht einen Schritt auf unsere Eltern zu? Es sind auch nur Menschen. Mit Fehlern, mit Geschichten. Menschen, die selber Eltern haben, vielleicht sogar ganz schreckliche. Aber es sind eben auch Menschen, die dich lieben und kennen. Von Anfang an. Und das ist doch eigentlich ziemlich wertvoll. Die eigene Mutter kann man sich nicht aussuchen. Gott sei Dank! Hätte man mich mit 13 gefragt, hätte ich mir vielleicht auch eine andere ausgesucht. Aber mit 13 hab ich ja auch No Angels gehört. Fragt man mich heute, würd ich nicht tauschen wollen! Natürlich hat sie nicht alles richtig gemacht, ich ja aber auch nicht. Darum gehts doch schlussendlich auch gar nicht. Triff dich mal auf ein Bier oder Tee, redet über lustige Geschichten aus alten Zeiten. Frag deine Eltern persönliche Dinge, lern sie richtig kennen, bevor es zu spät ist. Denn wenn du dich für cool und schwer in Ordnung hältst, können deine Eltern ja gar nicht so uncool sein. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm und so.

Ich denke alle Eltern geben ihr bestes. Ja, das reicht leider nicht immer und es fühlt sich als Kind sicherlich nicht immer so an. Aber sich selbst, seine Kindheit und all das Vergangene nicht zu ernst zu nehmen, kann glaube ich unheimlich helfen. Früher war nicht alles gut? Du wurdest enttäuscht? Ja und? Jetzt hast du die Chance zu Vergeben. Die Chance aufeinander zuzugehen und eine gute Zeit zu haben. Als zwei Erwachsene. Auf Augenhöhe. Ich weiß, dazu gehören immer zwei. Aber man kann es ja einfach mal ausprobieren!

Ein großes Danke also auch an meine Mutter, die sich für mich in viel zu jugendliche Kleidung und viel zu jugendliche Posen geworfen hat.

 

 


1 Kommentar

  1. Manfred J. Dempf

    Danke Julia! Sehr wahre und sehr berührende Worte!
    Manfred (Vater und immer noch Sohn)

    Antworten

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